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Interview mit Vas Narasimhan

Im Jahr 1998, zwei Jahre nach der Fusion von Sandoz und

Ciba-Geigy, schlossen sich die internen Verbände beider Unternehmen

zusammen. Daraus entstand der Novartis Angestelltenverband

(NAV). Deshalb feiert der NAV zwei Jahre nach dem

25-Jahr-Jubiläum von Novartis sein 25-jähriges Bestehen.



Lieber Herr Narasimhan Vielen Dank, dass Sie sich anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des NAV für ein Interview zur Verfügung stellen.


Herr Narasimhan, was haben Sie vor 27 Jahren beruflich und persönlich getan? Können Sie

sich noch daran erinnern, wo Sie damals waren und was in Ihrem Alltag vor sich ging,

als diese grosse Fusion stattfand?


VAS NARASIMHAN: Im Jahr, als Novartis aus der Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy hervorging, war ich Student an der University of Chicagound arbeitete an meinem Biologie-Abschluss, um später Medizin zu studieren und als Arztwissenschaftlich tätig zu sein. In meiner Freizeit studierte ich, beteiligte mich am Leben auf dem Campus oder spielte Basketball, wenn ich dafür Zeit fand. Obwohl ich schon damals davon träumte, eine gesündere Welt zu schaffen, wusste ich noch nicht, wohin mich die Reise führen würde.


Heute sind Sie CEO eines der grössten Pharmaunternehmen der Welt. War dies Ihr Ziel oder sogar Ihr Traumjob? Oder wollten Sie eine andere Karriere einschlagen?


Obwohl ich nie das Ziel hatte, CEO zu werden,entwickelte ich schon früh eine grosse Leidenschaft, wenn es darum ging, die Gesundheit der Menschen zu verbessern. Während und nach meinem Medizinstudium beschäftigte ich mich mit Gesundheitsproblemen wie HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose in Indien, Afrika und Südamerika. Dabei stellte ich fest, dass Unternehmen wie Novartis einen aussergewöhnlichen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben, indem sie neue Medikamente entdecken und damit jedes Jahr Hunderte Millionen von Patientinnen und Patienten versorgen. Ich bin dankbar, dass ich diese Bemühungen in verschiedensten Rollen als Global Head of Development für unsere ehemalige Impfstoffdivision und als Global Head of Drug Development und Chief Medical Officer unterstützen konnte. Es ist für mich ein Privileg, dass ich diese Arbeit nun zusammen mit unseren Mitarbeitenden weltweit als CEO fortsetzen darf.


Sie führen das Unternehmen seit dem 1. Februar 2018. In der 27-jährigen Geschichte

von Novartis fand die grösste «kulturelle Revolution» von Novartis in den letzten

5 Jahren statt. Als Sie zu Novartis kamen, haben Sie die leistungsorientierte Firmenkultur aus erster Hand erlebt, daher möchteich Sie fragen: Wurde die kulturelle Veränderung von

Ihnen als neuem CEO erwartet oder war dies eine Entscheidung, die Sie getroffen haben?


Die Basis unseres Kulturwandels war die jahrzehntelange wissenschaftliche Forschung darüber, was Wissensarbeitende motiviert und die Geschäftsleistung fördert. Für diejenigen Leserinnen und Leser, die sich für das Thema interessieren, kann ich das Buch «Drive» von Dan Pinks empfehlen, das diese Forschung sehr gut erklärt.

Als ich zum CEO ernannt wurde, war ich der Meinung, dass es an der Zeit war, das Unternehmen von einer hierarchischen Top-down-Kultur zu einer auf Verantwortung basierten teamübergreifenden Kultur zu transformieren. Mit der Geschäftsleistung als Endziel setzen wir unsere Arbeit fort, um eine inspirierte, neugierige und nicht hierarchisch geprägte («unbossed») Organisation zu schaffen.


«Unbossed» wird sicherlich in die Novartis Geschichte eingehen. Und auch ausserhalb von Novartis wird Ihr Name lange mit «unbossed» verbunden sein. Es wird viel über das Wort «unbossed» und seine Bedeutung in der Praxis diskutiert. Wie beurteilen Sie das?


Über das Wort «unbossed» wird viel diskutiert – und einerseits ist das gut! Dieses Wort hat uns insbesondere dabei geholfen, einen fortlaufenden Dialog über unsere Kultur im gesamten Unternehmen zu führen. Egal, ob ich auf unserem Campus in Basel oder in unseren Büros in Japan oder Mexiko bin, jeder kennt das Wort «unbossed», und es ist bemerkenswert, wie die Gespräche darüber innerhalb von Novartis weiterhin geführt werden. Dennoch gibt es auch viele Diskussionen und einige Missverständnisse darüber, was eine «unbossed» Kultur ist. Tatsächlich soll das Wort «unbossed» persönliche Verantwortung ausdrücken. In einem Umdenken weg vom Mikromanagement, das von unseren Führungskräften einen anderen Führungsstil fordert, möchten wir, dass alle Mitarbeitenden von Novartis persönliche Verantwortung für unsere Unternehmensleistung und ihre Rolle bei der Förderung dieser Leistung übernehmen, unabhängig davon, wo sie im Unternehmen arbeiten. Trotz gewisser Auffassungen darüber, dass eine «unbossed» Kultur in gewisser Weise im Konflikt mit der Notwendigkeit steht, herausragende Leistungen zu erbringen, ist die Förderung der Geschäftsleistung der eigentliche Zweck des «Unbossing».


GSK Consumer Healthcare Joint Venture; Alcon Spin-off; verkaufte Roche Beteiligung; Sandoz Spin-off – es sieht so aus, als hätten wir unser gesamtes Tafelsilber verkauft. Was bleibt übrig, um unsere Investoren zufriedenzustellen?


Novartis und ihre Vorgängerfirmen haben seit über zwei Jahrhunderten den Mut, sich stetig zu verändern. Wer hätte gedacht, dass ein Chemie- und Textilfarbstoffhersteller eines Tages im Bereich Gen- und Radioligandentherapien tätig sein würde?

Heute entwickeln sich Wissenschaft und Technologie in einem beispiellosen Tempo weiter und wir haben mehr Wissen zur Hand als je zuvor. Angesichts des heutigen explosionsartigen wissenschaftlichen Fortschritts werden die fokussierten Unternehmen die Branche anführen und letztendlich den grössten Einfluss auf die Menschheit haben.

Wir sind in den letzten fünf Jahren erfolgreich den Weg der Fokussierung gegangen und haben Transaktionen im Wert von über 100 Mrd. USD durchgeführt, um das Unternehmen zu fokussieren und gleichzeitig unsere Position in wichtigen Technologieplattformen zu stärken. In einem der grössten Spin-offs aller Zeiten im europäischen Mark haben wir Alcon an unsere Aktionärinnen und Aktionäre ausgegliedert. Wir haben ausserdem unsere Roche Beteiligung im Rahmen einer steuerneutralen Transaktion zu einer hohen Bewertung veräussert und geben einen Grossteil des Wertes durch einen Aktienrückkauf an unsere Aktionärinnen und Aktionäre zurück. Und wenn der Spin-off von Sandoz von unserem Verwaltungsrat und unseren Aktionärinnen und Aktionären genehmigt wird, werden wir zudem ein führendes Generika- und Biosimilar-Unternehmen an unsere Aktionärinnen und Aktionäre ausgliedern. Wir glauben, dass dies im besten Interesse unserer Aktionärinnen und Aktionäre, aber auch der Gesellschaft ist, da unsere Unternehmen in der Lage sein werden, unsere Ressourcen und unser Kapital auf zwei wichtige Bereiche der Medizin für die Welt zu konzentrieren. Wenn Sie sich heute Novartis ansehen, sind wir auf dem besten Weg, das grösste Pure-Play- Arzneimittelunternehmen der Welt zu werden. Wir sind führend in Technologien wie siRNA, Gen- und Zelltherapie und Radioligandentherapie und behandeln einige der schwersten Krankheitsbereiche der Gesellschaft, wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


In Zukunft werden wir uns trotz der Pandemieerfahrungen und der extrem hohen Wahrscheinlichkeit zukünftiger Pandemien und Epidemien auf die fünf therapeutischen Kernbereiche konzentrieren. Warum ist es Ihrer Meinung nach eine gute Idee, sich nur auf diese fünf therapeutischen Bereiche zu konzentrieren?


Novartis verfolgt eine neue Strategie, um Wachstum und Leistung voranzutreiben. Unsere Strategie besteht darin, hochwertige Arzneimittel bereitzustellen, die die grössten Krankheitslasten der Gesellschaft durch Technologieführerschaft in Forschung und Entwicklung und neuartige Zugangswege lindern. Bei der Umsetzung dieser Strategie haben wir klare Schwerpunktbereiche, die bestimmen, wo wir unsere Zeit, Energie und Ressourcen investieren.

Wir haben eine noch klarere Sicht auf unsere wichtigsten therapeutischen Bereiche: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Immunologie, Neurowissenschaften, solide Tumore und Hämatologie. Wir haben uns dafür entschieden, weil dort eine signifikante und anhaltende Krankheitslast besteht und wir aufgrund unserer kommerziellen und projektbezogenen Ressourcen und unseres Know-hows eine führende Position einnehmen.

Wir konzentrieren uns auch auf Technologieplattformen, bei denen wir über die Tiefe und den Umfang verfügen, um Therapien zu entdecken, zu entwickeln und zu vermarkten. Es gibt zwei etablierte Plattformen, Chemie und Biotherapeutika, sowie drei neuere Plattformen, die uns technologisch führend machen – xRNA, Radioligandentherapie und Gen- und Zelltherapie.

Diese fokussiertere Strategie wird es uns ermöglichen, unser Wachstum zu beschleunigen und einen wahren Unterschied zu machen, während wir die Medizin neu denken.


Wie und wo arbeiten Sie am besten und warum denken Sie, dass das hybride Arbeitsmodell das richtige Modell für die Zukunft ist?


Nachdem ich während der Pandemie bestimmte Ansätze angenommen und daraus gelernt habe, sind mein Führungsteam und ich zuversichtlich, dass hybrides Arbeiten für Novartis der richtige Ansatz für die Zukunft ist. Fast alle wichtigen Branchen bewegen sich oder sind bereits in Richtung Hybrid übergegangen. Auch bei Novartis sind wir darauf umgeschwenkt, wir behalten aber wichtige Aspekte der Flexibilität für unsere Mitarbeitenden bei. Es gibt keinen Ersatz für das Energie- und Kulturpotenzial, das im persönlichen Austausch im Team entsteht. Dies gilt insbesondere bei Novartis – einem Unternehmen, das auf die Zusammenarbeit unserer Mitarbeitenden bei der Lösung komplexer Probleme in der Wissenschaft und darüber hinaus setzt. Wenn ich in Basel bin, arbeite ich normalerweise vier Tage in der Woche auf dem Campus. Und wenn ich nicht in Basel arbeite, treffe ich mich mit wichtigen Partnern oder mit unseren Teams an unseren Standorten auf der ganzen Welt.


Sie leben in der Stadt Basel. Also mitten im Geschehen. Haben Sie mit Ihrer Familie bereits an typischen Basler Festlichkeiten teilgenommen, wie beispielsweise dem Rheinschwimmen, der Fasnacht oder dem Vogel Gryff?


Basel ist der Ort, an dem meine Familie zu Hause ist. Seit ich vor über 10 Jahren in die Schweiz gezogen bin, haben meine Frau und ich unsere Familie gegründet und unsere Söhne aufgezogen. Wir haben viele tolle Erinnerungen in diesem wunderbaren Land gemacht, die für uns unvergesslich sind. Ich habe am Vogel Gryff teilgenommen und meine Jungs und ich machen regelmässig am Basler Rheinschwimmen mit. Wir lieben die Alpen und gehen gerne Ski fahren und wandern. Wir fühlen uns privilegiert, in dieser wunderschönen Stadt und in diesem Land zu leben.


Welche Rolle wird die Schweiz künftig für Novartis spielen?


In der Region Basel befindet sich Europas grösster Life-Sciences-Cluster. Die Region ist nach wie vor ein attraktiver Standort in Bezug auf Talent, Infrastruktur und andere Rahmenbedingungen. Wir bleiben der Schweiz verpflichtet, was sich nicht nur in unserer 250-jährigen Geschichte hier, sondern auch in unseren neuesten Investitionen zeigt. Jüngste Beispiele sind unsere neue hochmoderne RNA-Produktionsstätte in Schweizerhalle, das kürzlich wiedereröffnete und vollständig renovierte moderne Forschungsgebäude Banting 1, die neuen Labore für Radioligandentherapie und der Novartis Pavillon. Darüber hinaus haben wir eine Investition von rund CHF 100 Mio. in ein neues Zentrum für Biologika-Entwicklung auf dem Campus in Basel angekündigt. Ausserdem geben wir etwa die Hälfte unseres jährlichen globalen Budgets für Forschung und Entwicklung in der Schweiz aus. Novartis setzt sich langfristig für die Schweiz ein und wir investieren hier weiterhin in unsere Zukunft.


Der Novartis Angestelltenverband (NAV) ist der unabhängige, unternehmensinterne Sozialpartner von Novartis. Mit den Delegierten in der Internen Personalvertretung (IPV) setzt er sich für die Interessen und Rechte unserer Mitglieder und der Mitarbeitenden ein. Kennen Sie uns und wenn ja, was denken Sie über den NAV? Übrigens kann jeder mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag von Novartis Mitglied werden. Der NAV würde Sie sehr gerne als Mitglied begrüssen.


Zunächst möchte ich dem NAV zu seinem 25-Jahr-Jubiläum ganz herzlich gratulieren. Der NAV und seine Delegierten in der Internen Personalvertretung spielen eine wertvolle und konstruktive Rolle bei der Wahrnehmung der Interessen der Mitarbeitenden im Dialog mit Novartis. Ich sehe den NAV als konstruktiven Partner, der unser gemeinsames Ziel teilt, den langfristigen Erfolg unseres Unternehmens sicherzustellen, und die wichtige Perspektive unserer Mitarbeitenden auf der Suche nach der besten Art und Weise repräsentiert, unsere Verpflichtungen zu erfüllen.

Stabile und konstruktive Beziehungen zwischen Sozialpartnern sind entscheidend, da sie einen wichtigen Vorteil in der Schweiz darstellen. Zuletzt war ich persönlich an IPV-Konsultationssitzungen und an mehreren informellen Austauschen beteiligt. Ich schätze den kritischen und lösungsorientierten Dialog und freue mich darauf, diesen Austausch mit unseren Sozialpartnern fortzusetzen.



Ein grosses Dankeschön an unseren CEO, Vas Narasimhan, für seine Zeit für dieses Interview. Das wissen wir sehr zu schätzen.

Davide Lauditi




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